Donnerstag, 13. Oktober 2011

fanatiker.


Meine Haende zittern und ich ziehe mir meine Muetze vom Kopf. Die gewellten Haare fallen in mein blasses Gesicht und geben mir einen Moment der Sicherheit, der Zuversicht. Bevor ich meinen Sitzplatz verlasse, blicke ich aus dem Fenster im Zug, nehme Sonne, Wolken und den ganzen versuesssten Scheiß der Realitaet wahr. Diese monotone Stimme dringt aus den Lautsprechern und ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich hier sein will. Viele Leute stehen im Gang und ich lasse mir meinen zu hohen Puls nicht anmerken. Ein letztes Mal sehe ich an mir herunter, mustere mich in der Scheibe, schließe meine Augen, knoepfe meine Jacke zu und lasse meinen Atem in den menschenueberfluteten Raum gleiten. Meine Angst will ich nicht leugnen. Schlagartig lasse ich den Griff von meinem Koffer nach unten rutschen, schiebe ihn zur Seite und setze mich auf ihn; was mache ich hier eigentlich? Mir bleibt keine Zeit zum Denken, also handel ich. Wutentbrannt mir selbst gegenueber, stuertze ich an den Passagieren vorbei, ueber Taschen Richtung WC. Ich druecke auf diesen wiederlichen gelben Knopf, welche schon 10 Tuerken, 4 Huren und einmal ich benutzten. Vergeblich will ich diese Tuer hinter mir zu schieben, doch Alles passiert in Zeitlupe. Traenen steigen mir in die Augen, halte mich an diesem Gebilde, welches durch unzaehlige Wichsflecken und Keime nicht einmal mehr bei McDonalds unter "Waschbecken" gaelten wuerde, fest. Der Spiegel sieht mich an, zeigt mir ein Maedchen, welches sie nicht sein will. Nun stehe ich also in dieser Toilette fuer Behinderte, warum? Kramend in meiner Handtasche blicke ich noch einmal auf und bemerke, dass mein Nasenbluten nicht aufhoeren will. Ich finde mein Handy, schiebe es auf und greife gleichzeitig nach einen dieser stinkenden Tuecher zum Abtrocknen der Haende. Vielleicht laufen mir gerade meine Gedanken davon, wer weiß das schon. 18:37 Uhr, scheiße. In Rund zwei Minuten haelt dieser zu volle ICE an und ich werde aussteigen
muessen.


Der Zug kommt langsam zum Stehen, die Schlange wird kuerzer und kuerzer und irgendwann bin wohl oder uebel ich an der Reihe auszusteigen. Ich saetze mir meine Muetze auf, habe Handtasche und Koffer dabei doch meinen Mut verloren. Vorsichtig gehe ich diese 3 Stufen aus Metal hinunter, setze mein Gepaeck ab, ziehe meinen Koffer voller Dosen und Alkohol hinter mir her, bleibe in mitten der Menschenmasse stehen. Mein Herz rast, sehe nach links, rechts, blicke zur Anzeige- richtiges Gleis. Es ist jetzt 19:00 Uhr und ich bin mir nicht sicher, ob ich es mir einbilde, aber irgendwer schreit nach mir. Doch hier ist Niemand, hier stehen nur Menschen die mich nicht wollen, die mich nicht kennen, die Entfernung suchen, nach Naehe sich sehnen. Ich drehe mich um meine eignene Achse,  erblicke leere Sitzbaenke, volle weiterfahrende Zuege, leuchtende Anzeigen, strahlende Augen, Gluecksmomente- nur meinen erlebe ich nicht. Erkenne den pfeifenden Zugschaffner, Paare die sich kuessen, winken, verabschieden, weinen. Sie verlassen den Bahnsteig ueber die Treppen, setzten wie ich, einen Fuß vor den Anderen. Jetzt bin ich mitunter die einzige Person auf dieser kurzen Strecke zwischen Hallo sagen und Nimmerwiedersehen. Hier stehe ich, irgendwo dazwischen. In meinem rechten Augenwinkel zuckt etwas, mein Kopf schnallt nach Rechts. Einen Augenblick ist Alles still, Alles hat angehalten und nur noch wir existieren. Glitzernde Funken umspielen meine Augen, welche unfassbar in die neu anfangende Minute blicken. Ihr winkt mir zu, ihr steht auf dem verfickt falschen Gleis und winkt mir zu. Ich hoere Bu schreien und Liz sehe ich mit den Haenden gestikulieren. Noch einmal sehe ich zurueck um mich zu vergewissern, dass mein Koffer und deren Inhalt noch dort steht, wo ich ihn zurueck gelassen habe. Ich haste die Treppen hinunter, ignoriere jede zweite Stufe, blende alle anderen irrelevanten Zivilisten aus und renne. Der erste Atemzug in eurer Welt ist mit Salzwasser und Rauch erfuellt und es ist der schoenste Geruch seid den letzte 7 Stunden,

ich bin endlich angekommen, ich bin endlich da.










3 Kommentare:

  1. Gott Hannah, ich freue mich so unglaublich darauf, wenn wir uns wirklich sehen können! Allerdings darfst du auch die Seifenblasen und die Muffins nicht vergessen!
    Und glaub' mir, auch wenn du mit dem Zug gekommen wärst, wie wären niemals auf dem falschen Gleis gewesen. :)

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  2. der text ist so wundervoll. ♥

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